Aus der jüngeren Vergangenheit

internationaler, moderner und vernetzter

Seit den 2010er Jahren hat sich der Chor zunehmend internationalisiert. Nicht nur das Repertoire, das zeitweise Stücke in 13 Sprachen umfasste, spiegelt diese Entwicklung wider, auch Chorzusammensetzung, Konzertorte und Gastchöre. So gehört es in Vorbereitung auf eine Reise inzwischen selbstverständlich dazu, ein Stück in Landessprache einzustudieren. Mit Austauschchören werden gemeinsam Stücke aufgeführt. Während fehlende Russisch- oder Französischkenntnisse noch durch rege Mitarbeit der Muttersprachler unter den Sängern ausgeglichen werden können, wächst sich dieser Anspruch bei finnischen oder gar chinesischen Stücken allerdings schnell zur Herkulesaufgabe aus.

Darüber hinaus hat sich die Zusammenarbeit mit anderen Chören und Orchestern deutlich intensiviert. Mehrfach dienten Reisen dazu, den Austausch mit dem Knabenchor der Jenaer Philharmonie oder dem Knabenchor Bratislava zu suchen. Die Männer beteiligten sich zudem an Aufführungen von „Das Paradies und die Peri“ und der „Missa Sacra“, beide von Robert Schumann. Sie bestreiten mittlerweile häufiger auch Auftritte ohne die Knaben. Diese hingegen wirkten in zwei Mahler-Sinfonien und dem Weihnachtsoratorium von Jörg Herchet mit. In Kooperation mit dem „dresdner motettenchor“ wurden „Gloria“ von John Rutter und „Messiah“ von Georg Friedrich Händel aufgeführt. Gemeinsam mit dem Sächsischen Vokalensemble konnte „Elias“ von Felix Mendelssohn Bartholdy „gestemmt“ werden. Zu den wohl beeindruckendsten Aufführungen der vergangenen Dekade gehört die von „The Armed Man“ von Karl Jenkins, die mit Hilfe des Dresdner Jugendsinfonieorchesters, des „dresdner motettenchores“ und des Schulchores des Vitzthum-Gymnasiums Dresden realisiert wurde.

Eine vitale Tradition des Knabenchores bilden neben den zahlreichen Tagesausflügen zu Auftritten in Sachsen vor allem die kleinen und größeren Reisen zu Konzerten im In- und Ausland, die besonders im Gedächtnis bleiben.

Zu einer schönen Tradition haben sich die jährlichen Adventskonzerte entwickelt, welches in der Annenkirche Dresden stattfindet. Die Auftritte in der Gethsemanekirche in Berlin oder der Konzertkirche Neubrandenburg lockten Jahr für Jahr mehr Besucher an. Manchmal ist der Andrang so groß, dass ein zweiter Auftritt am selben oder darauffolgenden Tag organisiert werden muss.

Der Knabenchor Dresden 2015 an der finnisch-russischen Grenze (Foto: Michael Huth)

Zu den unangefochtenen Höhepunkten der jüngeren Vergangenheit gehören die beiden Tourneen in die Republik Finnland und die Russische Föderation 2015 sowie in die Volksrepublik China 2018. Während der Überfahrt mit der Fähre nach Helsinki wurden die Sänger Zeugen eines Nordlichts – vom Moment überwältigt stimmten die Männer das „Heilig“ von Franz Schubert an. Dem Konzert im Dom von Helsinki folgten weitere Auftritte, Busfahrten durch unberührte skandinavische Landschaften, zahllose Eindrücke von Land und Leuten, ganz zu schweigen von all den anschließenden Konzerten und Erlebnissen rund um die Perle des Nordens St. Petersburg.

Der Knabenchor Dresden 2018 in Shanghai (Foto: Franziska Haupt)

Die weiteste Reise aber führte den Chor bis nach Asien. Selbst wenn letztlich aus organisatorischen Gründen nur 52 Choristen dabei sein konnten, handelte es sich doch bei dieser Tournee um ein Mammutprojekt. Acht Konzerte waren innerhalb von 14 Tagen in sieben Städten zu absolvieren. Es wurden wie stets auf längeren Konzertreisen „Familien“ gebildet, was den Zusammenhalt stärkt und die Aufsichtspflicht auf mehrere Schultern verteilt. Die nach Komponisten benannten Grüppchen setzten sich aus Choristen verschiedener Alters- und Stimmgruppen sowie mitreisenden Erwachsenen zusammen. Die riesigen, mit vielen Hunderten Zuhörern gefüllten Säle, der Hotelkomfort und die Hochgeschwindigkeitszugfahrten, die offiziellen Begegnungen und die individuellen Eindrücke – all dies werden die Sänger wohl nie vergessen.

Nicht zuletzt verbesserten sich die Bedingungen für die Chorarbeit in den letzten Jahren. Um selbst in Räumlichkeiten ohne Orgel eine historisch informierte Instrumentalbegleitung zu ermöglichen, half der Förderverein mit, eine hochwertige Truhenorgel zu erwerben. Ein eigenes Chorpodest, die zweite große Anschaffung, sorgt mittlerweile dafür, dass in stufenarmen Räumen die Klangentfaltung und die Sicht nicht behindert werden. In den vergangenen Jahren konnten auch Kompositionen aus den Reihen der Sänger mit großem Erfolg uraufgeführt und ins Repertoire eingepflegt werden. Insofern kann der Knabenchor Dresden echte Unikate vorweisen, die nirgendwo anders erklingen.

Wie fast alle anderen Klangkörper blieb auch dieser Chor von den Auswirkungen der Pandemie nicht verschont. Konzerte mussten abgesagt, Zusagen zurückgenommen und Reisen verschoben werden. Das Chorleben kam fast völlig zum Erliegen. Zwar konnte online in kleineren Gruppen eine kleine Anzahl Stücke eingeübt werden, gemeinsames Singen ist so aber nicht möglich gewesen. Besonders durch den stark eingeschränkten Austausch mit den Grundschulen ist die zwingend notwendige Nachwuchsgewinnung von Sopran- und Altstimmen langfristig extrem behindert worden. Doch wie schon zuvor wird der Chor seinen ganz eigenen Weg finden und auch diese Herausforderungen meistern.